„Es schläft ein Lied in allen Dingen...“ So lässt Eichendorff seine „Wünschelrute“ beginnen. Und eben dieses Lied
lässt Eichendorff durch seine Gedichte, durch sein Zauberwort erklingen und preist so die Magie der Natur. Auch das
Naturgedicht „Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff entstand, im Jahre 1837, zur Zeit der Romantik. Es besteht aus
drei vierzeiligen Strophen, in denen eine mystische und geheimnisvolle Stimmung erzeugt wird. Eichendorff beschreibt
in dem Gedicht die Gefühle und Eindrücke eines lyrischen Ichs in einer Mondnacht.
Das ganze Gedicht steht im Präteritum. In der ersten Strophe beschreibt der Verfasser eine Szene, in der Himmel und
Erde in der Nacht optisch miteinander verschmelzen. Der Himmel ist der Akteur, der seine Geliebte, die Erde, küsst.
Die Erde selbst träumt im Schein ihres Geliebten von ihm. Der Blütenschimmer weist auf Leben hin, aber auch auf die
Verbundenheit von irdischen Blüten und himmlischem Lichtschimmer. Die Szene steht im Konjunktiv und stellt die Stimmung
der Nacht deutlich dar. Die zweite Strophe beschreibt die Beschaffenheit der Erde. Es herrscht Harmonie und Ruhe,
der Himmel selbst ist auch sternenklar. Die Strophe beschreibt das Umfeld der Szene. Der Wind stellt eine weitere
Verbindung zwischen Himmel und Erde her. Alles ist sehr ruhig, die personifizierte Luft geht durch Felder, die
wiederum Assoziationen zu ländlicher Idylle und Fruchtbarkeit erzeugen, ebenso wie die Ähren. Der Blick des
Betrachters wird schließlich von der Erde hinauf zum Himmel, zu den Sternen gelenkt. In dieser Strophe wird
also besonders auf die sinnliche Wahrnehmung des lyrischen Ichs eingegangen. Die dritte Strophe beschreibt
das Gefühl des lyrischen Ichs. Ein Gefühl der Freiheit wird deutlich. Durch diese Szene voller Harmonie wird
in ihm das Gefühl geweckt, seine Seele verbreitere sich und fliege nach Hause. Die Gefühle des lyrischen Ichs
werden also von der Stimmung und seiner Wahrnehmung beeinflusst, auch das Ich will sich eins mit dem Himmel fühlen.
Das Gedicht ist im Hakenstil geschrieben, der Geschwindigkeit erzeugt. Viele assoziative Begriffe werden verwendet
wie Himmel, Erde, Luft, Nacht, Felder, Seele, Flügel oder Land. Eichendorff benutzt hierbei vor allem die Wortfelder
Landwirtschaft und Natur. Es werden dynamische Verben gewählt wie küssen, gehen, wogen, rauschen, ausspannen,
fliegen. Statische Verben wie Träumen verdeutlichen die Passivität der Erde. Abstrakte und konkrete Ausdrücke
werden nebeneinander verwendet. Die Verse sind sehr bildhaft. Personifikation wie Himmel/Erde, Luft, Ähren,
Wälder, Seele machen das Gedicht lebendig. Die feierliche Atmosphäre wird durch die Stille noch hervorgehoben.
Still und leise sowie träumen (Schlaf) und sternenklar werden dazu verwendet. Versmaß ist der Jambus, der eine
gleichmäßige und fließende Wirkung erzielt. Die Endungen der Verse sind abwechselnd weiblich und männlich. Pro
Vers gibt es drei Hebungen. Der regelmäßige Aufbau wird durch den Kreuzreim unterstützt. Pro Strophe ergeben
sich Paare aus erstem-dritten und zweitem-vierten Vers. So wird ein Zusammenhang zwischen Versen hergestellt,
die durch einen anderen Vers getrennt werden. Durch „und“ wird das lyrische Ich in der letzten Strophe in die
ganze Szene eingebunden. Die Metapher „Flügel“ erinnert an einen Vogel, also an Freiheit. Das „weit“ ist
inversiert und betont wie weit die Seele sich öffnet, um die nächtliche Stimmung aufzunehmen. Die „stillen
Lande“ stellen einen Bezug zur zweiten Strophe her. Auch „flog“ ist durch eine Ellipse bedingt am Anfang
des Verses zu finden. „Flügel, flog, flöge“ stammen aus derselben Wortfamilie und verdeutlichen den schwerelosen
Zustands des lyrischen Ichs. „Nach Haus“ und „Himmel“ sind Synonyme und haben denselben Anfangsbuchstaben und
stellen eine Verbindung zwischen erster und letzter Strophe her. In der ersten Strophe neigt sich der Himmel
zur Erde, die zweite ist auf der Erde, der Flug der Seele zum Himmel folgt in der dritten Strophe. Es gibt
also einen Kreislauf.
Das Gedicht ist typisch für die Romantik. In ihr werden Vernunftsglaube und ästhetische Erziehung verworfen
und das Gefühl steht im Mittelpunkt literarischen Empfindens. Das Ziel ist es, die Welt möglichst intensiv zu
erleben. Der Alltag wird ins Mystisch-Außergewöhliche transformiert. Diese Flucht vor der Realität ist die
Reaktion auf eine Sinnkrise dieser Zeit. Die Aufklärung und die französische Revolution hatten nicht die
erhofften Änderungen herbeigeführt und die Industrialisierung reduzierte den Menschen zu seinem ökonomischen
Nutzwert. Der einsame Dichter und seine nie zu stillende Sehnsucht richtete sich jetzt auf die idyllisch,
verklärte Natur. Die tiefe Sehnsucht nach Harmonie wird auch bei Eichendorff deutlich. Der Mond selbst kommt
nur in der Überschrift vor und weckt sofort märchenhafte Vorstellungen. Die Nacht als Zeit der Ruhe und
Besinnlichkeit wird durch den Mond erhellt und ist somit weniger bedrohlich und steigert die Empfindsamkeit.
Die Form spiegelt sich im Inhalt wieder, jede Strophe bildet einen eigenen Sinnabschnitt. Die erste beschreibt
die Atmosphäre der Nacht, die zweite die sinnliche Wahrnehmung und die dritte auf die geistig-seelischen
Empfindungen des lyrischen Ichs. Zu Beginn verschmelzen Himmel und Erde in einem Liebesverhältnis. Sie
bilden also eine harmonierende Einheit. Der Himmel mit all seinen Assoziationen zu Göttern, Freiheit und
Ewigkeit erreicht den Menschen auf der Erde. Die Grenze zwischen Himmel und irdischem Dasein schwindet.
Alles Leben (Blüten) träumt von Himmel, vom ewigen glücklichen Leben. Um die Feierlichkeit dieses Moments
zu erhöhen, ist die Umgebung ruhig und das Feld und die Ähren als Symbol für Fruchtbarkeit unterstützen die
Wirkung nochmals. Die Luft ist nochmals Verbindungsstück zwischen den beiden Welten. Diese Ruhe spiegelt sich
im Himmel wieder, die Nacht ist sternklar. Die himmlische Ruhe ist auch auf der Erde eingekehrt. Von diesem
Gefühl überwältigt und von der Sehnsucht nach Verschmelzung mit dieser ewigen Harmonie getrieben durchflutet
das lyrische Ich ein Gefühl des Glücks. Seine Seele wird groß und leicht in seiner übermenschlichen Stimmung,
als kehrte sie zu ihrem Ursprung, zum Himmel zurück, so nah fühlt es sich diesem. Hier wird der religiöse Bezug
zum Christenglauben deutlich. Der Anblick der Sterne ist Anlass für die Seele zum Himmel zurückzukehren. Hier
wird eine Todessehnsucht deutlich, da der Tod ewige Ruhe und Harmonie verspricht. Aber das Ende, das zu hause
Ankommen bleibt ungewiss, das wird durch den Konjunktiv deutlich. Vor dem Tod kann man nicht in den Himmel gelangen.
Die totale Vereinigung der Seele in Gott ist also im Leben nicht möglich. Der Kreislauf des Gedichtes ist der Kreislauf
der aus dem Himmel von Gott geschaffenen Seele, die auf die Erde niederkommt und schließlich wieder zum Himmel zurückkehrt.