Der Knochenhauer-Aufstand im Jahre 1384
Chroniken deutscher Städte, Lübeck II, S. 345 ff.
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Im Jahre 1384 wurde die Stadt Lübeck von außen und innen verraten; von innen durch etliche Zünfte,
die Hauptleute waren Heinrich Paternostermacher, Godeke Wittenborch und Nikolaus von der Wisch,
zwei Knochenhauer, die zwei Bäcker Heinrich Kälevelt und Hermann von Minden und Arndt von Soest, ein
Kürschner. Diese hatten sich wohlweislich viele aus ihren Zünften herausgesucht, die ihnen behilflich
sein sollten, und zwar hatten sie folgendes vor: Wenn am Sankt Lambertstage zwischen der neunten und
zehnten Stunde morgens der ganze Rat sich versammelte, so sollten vierzig mit Schwertern im Krug zu Oldevere
zusammenkommen, auf das Rathaus ziehen und den Rat und, was an Dienern vor dem Hause sei, schlagen.
Die anderen sollten aufpassen, ob sonst jemand Widerstand leisten wolle, den sollten sie davon
abhalten. Inzwischen sollte man des Kürschners Haus mit dem Klingenberge anstecken und brennen lassen, damit
die Leute dorthin liefen und die Verschwörer den Rat mit Gemach schlagen könnten. Ferner sollte der Brand für die
Hofleute, die sich draußen versammelt hatten, das Zeichen sein, daß sie den Verschwörern zu Hilfe kämen und das
andere Volk in der Stadt überwältigten. Hier waren die Hauptleute die Brüder Gottschalk und Detlev Godendorp,
denen hatte man große Versprechungen gemacht, damit dieser Verrat gefördert würde.
Am Donnerstag vor Sankt Lambertstag (15. September) wurde der Rat gewarnt, denn Gott wollte nicht zulassen,
dass die gute Stadt verraten würde, Der Rat ließ die Kaufleute und ihre Freunde vorladen und sie wissen,
wohin die Fahrt gehen sollte, und fragte, wie sie sich zu ihm stellen wollten.
Dann mußten alle Zünfte von Lübeck einzeln vor den Rat kommen und bei den Heiligen schwören, daß sie dem Rat
und der Stadt treu und hold sein wollten ohne jegliche Arglist, innerhalb und außerhalb der Stadt. Viele,
die zuvor ein böses Wort gesprochen hatten, mußten die Stadt verschwören, und die Weiber und Kinder der Gerichteten
mußten alle, groß und klein, aus der Stadt. Den Fleischhauern wurde die Zunft verboten und alle ihre Buden
abgebrochen, denn der Rat wollte um des Verrates willen nicht mehr so viele Fleischhauer haben.
Dann begnadigte der Rat die Fleischhauer wieder und wählte aus ihnen die, die den besten Ruf hatten, und
machte eine neue Zunft mit neuem Recht, wie sie fortan in ihrer Zunft die Dinge halten sollten.
Nun verlangtem die Zünfte von den Kaufleuten die Bestätigung all ihrer allten Rechte, was diese nicht gewähren wollten.
Beide Parteien wappneten sich heimlich.
Am folgenden Sonntag morgens früh kamen die Herren von Lübeck und die Bevollmächtigten beider Parteien
in das Kloster Sankt Katharinen und verhandelten den ganzen Tag, ohne zu essen und zu trinken, bis an den Abend, da die Uhr
vier schlug. Als die Bevollmächtigten der Zünfte vernahmen, daß das Volk sich so mächtig gegen sie gewappnet habe,
tat ihnen die Sache leid, und sie wurden umgänglicher als vorher, sie folgten dem Willen des Rates, gaben sich ganz in dessen
Hände und stimmten allem zu, was dort verhandelt wurde. Es wurde ausgemacht, daß die Zünfte die Eide, mit denen sie
sich zusammengeschworen hatten, lösen und fortan keinen Bund mehr gegen den Rat machen sollten, jeder sollte bei seinem
alten Recht bleiben; die Knochenhauer sollten der Stadt zu Lande und zu Wasser, wie es gerade nötig sei, mit zwanzig
Berittenen dienen. Das versprachen die Knochenhauer.