Das Urteil & Die Verwandlung - Franz Kafka

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Einleitung

Franz Kafka, wohl der berühmteste und beste Autor des 20. Jahrhunderts für Prosa, Erzählungen und Parabeln. Der unverwechsliche Auktoriale Schreibstils Kafkas, lässt fast schon den letzten Lesemuffel aufhorchen. Es ist auch ein wesentlicher Grund warum ich mich für zwei Erzählungen Kafkas entschieden habe. Den Erzählungen fehlt es zwar an Spannung, dass macht der direkte Schreibstil mit seiner "Nähe zur Distanz" aber wieder wett.
Darüber hinaus wirken die Texte informativ, sachlich, unaufgebläht und gut verständlich auf den Leser. Des Weiteren sind die Werke Kafkas nicht einfach nur Bücher, die man nach dem Lesen wieder getrost in sein Bücherreal schmeißt, sie veranlassen auch dazu, über das Geschehene nachzudenken. Einzelne Textpassagen haben eine Bestimmte Symbolik, die erst richtig gedeutet werden will. Kafkas Werke gehören ja auch nicht umsonst zu den am häufigsten Interpretiertesten Büchern. Diese gedankliche Wirkung, haben Meinermeinung nach nur die Stücke Kafkas.

Das Urteil

Georg Bendeman, ein junger Kaufmann, hat gerade einen Brief an seinen in Russland lebenden Freund, zu Ende geschrieben. Der in Petersburg wohnende Freund, lebt abgeschieden und einsam. Weil Georg ihm viel über seinen erfolgreichen Geschäftlichen Werdegang verschwiegen hat, entschloss er sich, ihm von seiner angehenden Verlobung zu erzählen.
Angekommen in des Vaters Zimmer ist Georg erschreckt über seinen Zustand. Er macht sich Vorwürfe seinen Pflegebedürftigen Vater nicht ausreichend versorgt zu haben. Georg gerät mit seinem Vater in eine hitzige Diskussion, dass sein Freund im fernen Russland überhaupt nicht existierte. Im Affekt gibt der Vater zu, regelmäßigen Kontakt nach Petersburg zu haben und dem Freund regelmäßig die Wahrheit über die aufgetischten Lügen von Georg zu erzählen. Als der Vater seinem Sohn durch ertrinken droht, läuft Gregor zum nahe gelegenen Fluss und springt in den Tod.

Die Verwandlung

Als Gregor Samsa wieder aufwacht, befindet er sich mit herben Verletzungen im Bett wieder. Zu allem Überfluss kommt der Prokurist zu Besuch um zu erfragen, weshalb Gregor nicht auf der Arbeit erschien. Weil er sich aber weigert die Tür zu öffnen, erzählt der Prokurist lautstark über die schlechte Arbeitsmoral des Herrn Samsa. Er droht ihm sogar damit, dass er seine Stelle verlieren wird, wenn er nicht bald die Tür öffnet, denn er vermutet, dass er Geld unterschlagen haben könnte.
Von dem Ungeziefer (Gregor) entsetzt, wendet der Prokurist sich ab und will das Haus der Familie verlassen, Gregor will ihm nachlaufen, er wird jedoch von seinem Vater aufgehalten.

Gregor verwandelt sich mehr und mehr in einen Käfer, er bekommt eine Tierstimme, Fühler und beginnt die Wände hoch zu krabbeln. Seine Eltern werden ihm immer fremder, ganz zu schweigen von ihrer sowieso nie da gewesenen Führsorge. Einzig und allein seine Schwester kümmert sich noch um ihn. Sie bringt ihm täglich verdorbenes Essen in sein Zimmer, weil er normales Essen verabscheut.

Fortan versteckt er sich regelmäßig unter dem Kanapee (Sofa), sobald seine Schwester herein kommt. Er entwickelt eine Scheu vor Menschen. Inzwischen geht das Familienleben, durch Isolation an Gregor immer weiter vorbei. Er wünscht sich nicht sehnlicher als, dass seine Mutter ihn in seiner "Höhle" besuchen kommt. Sein Wunsch ging dann auch bald in Erfüllung. Denn seine Schwester beschloss, das Zimmer umzugestalten, damit ihr Bruder mehr Platz zum krabbeln hat. Aufgrund ihrer geringen Körperlichen Kraft, bat sie die Mutter um Hilfe, denn das Hausmädchen konnte sie nicht fragen, da diese eine Phobie vor Gregor entwickelte und den Vater ebenso wenig, da dieser nur auf die Gelegenheit wartete, Gregor wieder heimtückisch "ins Boxhorn zu jagen".

Beim Umgestalten des Zimmers beschlossen die beiden Frauen dann, viele Möbel aus dem Zimmer zu entfernen, was Gregor in seinem Versteck vor der Mutter, überhaupt nicht passte. Wutentbrannt krabbelte er bei einer Gelegenheit die Wand hinauf, und saugte sich an ein Bild, dass er um jeden Preis behalten wollte. Zurückgekommen im Zimmer, erschrak die Mutter bei dem Anblick Gregors und viel in Ohnmacht. Grete, die Schwester, trägt ihre Mutter in ein Nebenzimmer und versucht sie mit Medikamenten aus ihrer Ohnmacht zu holen. Gregor der voller Sorgen neben seiner Schwester steht, macht sich Vorwürfe. Zu allem Überfluss betritt der Vater das Haus und sieht Gregor. Er wirft mit Äpfeln nach ihm, einer trifft seinen Rücken und bleibt stecken.

Ein Monat verging und der Apfel steckte nach wie vor im Rücken. Weder Grete noch die Mutter hatten den Mut ihn aus dem Rücken von Gregor zu entfernen, der mittlerweile große Probleme hatte sich zu bewegen. Um die Familie wirtschaftlich über Wasser zu halten, nähte die Mutter regelmäßig Wäsche für ein Modegeschäft, während Grete Französisch und Stenographie lernte, um Beruflich einen höheren Posten zu erwerben.

Als Ersatz für das Dienstmädchen was vor Gregor geflüchtet war, sorgt ab sofort eine alte Witwe für Ordnung bei der Familie Samsa. Im Gegensatz zum früheren Dienstmädchen hat sie keinerlei Schrecken vor Gregor.

Inzwischen sind drei Spitzbärtige Herren als Untermieter eingezogen. Sie sollen das Haushaltsbudget der Familie Samsa durch ihre Mietabgaben erhöhen. Das gelingt jedoch nicht weil sie den "dreckigen" Gregor entdecken und wutentbrannt den Mietvertrag kündigen. Grete, die sonst immer zu ihrem Bruder hielt, bekommt erste Zweifel und will "es" aus dem Haus loswerden.

Am darauf folgenden Tag, macht die Haushälterin ihre morgendliche Runde durch das Haus. Dabei findet sie den abgemagerten und toten Gregor auf den Boden liegen.

Buchkritik

Traut man Kafkas Tagebucheinträgen wurde "Das Urteil", 1912 in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember verfasst. Darin fasst er wie auch in "Die Verwandlung" seinen Vater-Sohn Konflikt auf und versucht ihn zu verarbeiten.
Parallelen zwischen der Realität Kafkas und seiner Kurzgeschichte "Das Urteil" sind eindeutig zu erkennen. Während in der Realität Kafka vor einer Hochzeit mit Julie Wohryzeck stand (die aber nie stattfand), die von seinem Vater mit absolutem Hass aufgenommen wurde, ist im Urteil Georg Bendemann vor einer Verlobung, die ebenfalls in einen heftigen Konflikt zwischen Vater und Sohn ausartet. In "Die Verwandlung", die auch ein Synonym für den Konflikt in der Erzählung ist, artet der Hass zwischen Vater und Sohn zuerst auf psychischer Ebene aus, indem der Vater gehässig zu seinem Sohn wird und ihn später ganz ignoriert und meidet. Später dann als der Vater seinen Sohn mit Äpfeln beschmeißt, geht er dann zu "körperlicher" Gewalt über. So könnte man auch dass Verhältnis zwischen Kafka und seinem Vater Hermann deuten. Ich vermute, dass dieser ihn zuerst auf psychischer Ebene provozierte und später handgreiflich wurde.

Des Weiteren spricht Kafka in "Das Urteil" im letzten Satz von "In diesem Augenblick ging über die Brücke ein geradezu unendlicher Verkehr". Offen steht jetzt zuerst, ob er sich in einen Fluss oder auf eine Straße gestürzt hat und sekundär dann was er mit diesem Satz gemeint hat. Die erste Frage lässt sich klar deuten, denn im Text steht "Aus dem Tor sprang er, über die Fahrbahn zum Wasser trieb es ihn. (…) erspähte zwischen den Geländerstangen einen Autoomnibus, der mit Leichtigkeit seinen Fall übertönen würde." Meint, dass er sich wohl in einen Fluss gestürzt hat. Nun aber zur zweiten Frage. Ein "geradezu unendlicher Verkehr"? Der Autoverkehr unterhalb der Brücke kommt nicht in Frage, denn er wartete auf einen Autoomnibus, und wenn er wartete heißt es ja das diese nicht Reihe an Reihe vorbeifuhren. Auf der Brücke bezweifle ich ebenfalls regen Autoverkehr, mitten in der Nacht, um das Jahr 1900 hatten nur wenige Leute ein Auto. Bleibt eigentlich nur noch der unendliche "Verkehr" von Prostituierten die auf der Brücke ihre Geschäfte treibten.

Übrig bleibt noch die Frage, ob Gregor Samsa in "Die Verwandlung" sich nun Sciencefiction-artig in einen Käfer verwandelt hat. Dafür spricht seine Käferartige Verhaltens-Charakteristik (Essen von verfaulter Nahrung, Wohnen im Dunkeln etc.), seine Tierartige Stimme und die Körpersäfte die er zurücklässt. Dagegen ist jedoch, noch die auffällige Intelligenz (trotz des Käfer Daseins, bekommt er das meiste noch genau mit).
Unschlüssig sind die Reaktionen seiner Mitmenschen. Man hat das Gefühl als würden sie ihn als Käfer bezeichnen, jedoch wagt es niemand ihn so zu bezeichnen. In extremen Fällen bezeichnen sie ihn als "es" aber nie als Käfer. Jedoch hat Kafka das Vokabular so geschickt gewählt (Bsp. "Seine vielen Fühler (…) ), dass man das Gefühl bekommt, Gregor sei ein Käfer.
Übrigens, die Verwandlung wurde auch verfilmt. Jedoch konnte man die "Metamorphose" von Gregor nie sehen, da in diesen Szenen geschickt aus der Sicht von Gregor die Kameraposition stand. Also bleibt die Frage offen und lässt weiteren Interpretationsspielraum.

Man sollte den Titel "Die Verwandlung" auch wörtlich für die anderen Charaktere nehmen. Denn nicht nur Gregor verändert sich. Am Anfang ist er zwar noch ein selbstbewusster Mann, der für seine Familie arbeitet und so ihr den Lebensunterhalt verdient, im Laufe der Geschichte wird er aber immer mehr zum Pflegefall und seine Familie beginnt "für ihn" zu arbeiten. Das genaue Gegenteil ist dagegen sein Vater, er ist am Anfang der schwache und wird mit der Zeit immer stärker und übernimmt die Überhand über seinen Sohn. Dasselbe gilt für seine Schwester, die am Anfang noch die schwächste im Familienglied ist, wird sie immer stärker und bekommt immer mehr an Anerkennung von ihrer Familie.

Zu guter letzt noch ein Hinweis auf "Das Urteil". Wenn man genau schaut, erkennt man in Georg Bendemann die Familienverhältnisse Kafkas so wie Franz sie sich wünschen würde. Jedoch trifft das nur auf den ersten Teil zu, indem der Vater abhängig von seinem Sohn ist. Zum Teil erkennt man aber auch die Person Franz Kafka, in dem fernen Freund in Russland, Das ist die Person die Kafka in Wirklichkeit ist. Erfolglos und Isoliert. Kafkas Ziel war es, unabhängig und selbständig und ohne Beeinflussung seiner Eltern, ein eigenständiges Leben zu führen.

Genug interpretiert und gedeutet. Da sich die beiden Kurzgeschichten ähneln, werde ich sie als Gesamtwerk bewerten. Als ich das Buch las, dachte ich auch zuerst dass alle Kapitel zu einem Ganzen zusammengehören. Auf dem Cover des Buches steht zwar beschriftet "Das Urteil", doch innerhalb des Buches befinden sich mehrere Kurzgeschichten. Passt man nicht genug auf, so wie meine Wenigkeit, denkt man schnell, dass "Das Urteil" und "Die Verwandlung" zusammengehören, weil die Geschichten perfekt in einander übergreifen. Die ähnlichen Namen der beiden Hauptcharaktere Georg und Gregor verstärken bei Unaufmerksamkeit diese Wirkung zusätzlich.

Des Weiteren ist alles so prägnant und fachlich verfasst, dass man zu keinem Zeitpunkt denken könnte, dass dort überflüssige und scheinbar aufgeblähte Texte stehen. Dem Lese-Laien kommt der Stil der Erzählungen wahrscheinlich depressiv und kafkaesk rüber, aber wer einen Krimi haben will, sollte besser sonntags 20:15 auf ARD Tatort gucken. Man kann sich mit vollem Bewusstsein in Kafkas Situation hineinversetzen, wie er Nacht um Nacht an seinen Geschichten pfeilt und versuchte der Problematik mit seinem Vater aus dem Weg zu gehen.

Mit viel Niveau und Metaphorik erreicht Kafka eine einmalige, unbeschreibliche, facettenreiche Wirkung auf den geneigten Leser.

Niveau: Hohes Niveau
Verständlichkeit: Sehr gut verständlich
Unterhaltungswert: Gutes Buch
Spannung: Kaum Spannung
Fazit: Zum weiterempfehlen